Ruhr Universität Bochum | 2. 11. 2022 | von Meike Drießen(md)
Seit der Digitalisierung ist der Vertrieb nicht mehr das, was er mal war. Das heißt aber nicht, dass der Arbeitsalltag dadurch nicht auch besser werden könnte.
Für viele kleine und mittlere Unternehmen wirbelt die Digitalisierung die Welt ziemlich durcheinander. Besonders der Vertrieb, die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Markt, verändert sich stark. „Die klassische Aufgabe von Vertrieblern ist es, die Bedarfe eines Kunden zu ermitteln oder mit diesem gemeinsam die beste Lösung für ein Problem zu erarbeiten, Produkte zu erklären und den Kunden vom Kauf zu überzeugen“, erklärt Dr. Christian Ahlfeld vom Lehrstuhl Industrial Sales and Service Engineering, kurz ISSE, der RUB. Die Beziehung zwischen den Mitarbeitenden im Vertrieb eines Unternehmens und dem Personal eines Kunden war bisher oft langjährig und vertraut.
Kundenansprüche eskalieren
Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Die Digitalisierung beeinflusst das Einkaufsverhalten von Kunden. Das Internet macht Recherchen möglich, ohne dass man Kontakt mit dem Anbieter aufnimmt. Zugleich soll alles effizienter, schneller, schlanker sein, die Kaufabwicklung flotter gehen. „Wir sprechen von eskalierenden Kundenansprüchen“, so Christian Ahlfeld. „Gerade an der Schnittstelle zum Kunden entstehen für den Vertrieb durch den digitalen Wandel ganz neue Anforderungen: Die Vergleichsmöglichkeiten steigern die Erwartungen des Kunden nicht nur an das Produkt oder die Dienstleistung, sondern auch an die Beziehung.“
Das Verhältnis zwischen Anbieter und Kunde verändert sich, weil nun der Kunde bestimmt, wann und in welcher Form der Vertrieb in seine Wertschöpfung eingebunden wird. Oft entsteht ein persönlicher Kontakt erst dann, wenn der Kunde seine Kaufentscheidung auf Basis seiner eigenen Recherchen schon getroffen hat. Die Einschränkungen in der Corona-Pandemie haben diesen Effekt noch verstärkt. Persönliche Besuche waren in dieser Zeit nicht möglich, sodass sich der Umgang miteinander auch dadurch verändert hat.
Hinzu kommt noch, dass digitale Plattformen neuen, auch internationalen Anbietern Möglichkeiten eröffnen, mit unkonventionellen Geschäftsmodellen auf den Markt zu drängen. Besonders bei hochstandardisierten Produkten stellen sie eine ernstzunehmende Konkurrenz für etablierte Unternehmen dar. „Das hat zur Folge, dass sich kleine und mittlere Unternehmen unter Handlungsdruck sehen“, so Marleen Voß vom ISSE-Team. „Man könnte sagen, sie fühlen sich bedroht.“ Diesem Handlungsdruck will das Projekt PASS, kurz für Predictive-Analytics-Systeme im Sales, etwas entgegensetzen. Ziel ist es, die Digitalisierung als strategische Ressource anzusehen. „Die digitale Technik kann helfen, Wettbewerbsvorteile im Markt zu erzielen“, unterstreicht Marleen Voß.