Sind die Grenzkosten und Erlösminderungen unbekannt, wird kein Tool der Welt jemals einen probaten Preis dynamisch berechnen.
Der Erfolg auf digitalen Marktplätzen hängt maßgeblich vom richtigen Preis ab. Doch während viele Unternehmen auf dynamische Preisstrategien und automatisiertes Repricing setzen, bleibt eine entscheidende Frage unbeantwortet: Kann ein System, das primär auf Preisallokation ausgelegt ist, überhaupt marktfähige Preise generieren?

Die Antwort lautet: Nur bedingt. Denn ein System, das Erlösminderungen und Grenzkosten nicht kennt oder berücksichtigt, kann bestenfalls auf Basis relativer Marktbewegungen reagieren – aber nie den tatsächlich optimalen Preis für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit im Marktumfeld berechnen.
Warum Preisstrategie mehr ist als Repricing
Marktplätze wie Amazon oder eBay setzen Händler unter hohen Wettbewerbsdruck. Sichtbarkeit und Verkaufschancen hängen unmittelbar davon ab, ob ein Produkt die sogenannte „Buy Box“ gewinnt – also das bevorzugte Angebot für den Endkunden darstellt. Dabei entscheidet meist der Preis, welches Angebot in der Buy Box landet.
Dynamisches Pricing gilt daher als Schlüsselstrategie, um auf Marktplätzen erfolgreich zu verkaufen. Doch was auf den ersten Blick als intelligente Automatisierung erscheint, offenbart bei genauerem Hinsehen erhebliche Defizite – insbesondere, wenn die Preisbildung ausschließlich innerhalb des bestandsführenden Systems stattfindet.
Bestandsführende Systeme: Strukturell limitiert
Systeme, die Preisentscheidungen auf Basis interner Konditionen, gleitender Durchschnittspreise oder UVPs treffen, bilden lediglich die unternehmensinterne Perspektive ab. Ohne Einbezug von variablen Kosten (z. B. Provisionen, Versandkosten, Marketingaufwand) oder Erlösminderungen (z. B. Retouren, Rabatte) entstehen Preise, die möglicherweise deckend sind – aber weder marktkonform noch strategisch optimiert.
Ein solches System ist auf Reaktion, nicht auf Gestaltung ausgelegt. Es kann zwar Preise technisch anpassen, aber es fehlt ihm das ökonomische Fundament, um tragfähige, gewinnoptimierte Preisentscheidungen im Kontext von Konkurrenz, Kundenverhalten und Marktdynamik zu treffen.
Wettbewerbsfähigkeit braucht Kontext – nicht nur Automation
Repricing-Tools, die lediglich den niedrigsten Marktpreis unterbieten, sind weit verbreitet – doch sie sind kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Ohne klare Definition von Mindestdeckungsbeiträgen und eine differenzierte Betrachtung der Produktgruppen droht die Buy Box zum Verlustgeschäft zu werden.
Zudem unterscheiden sich Kosten- und Margenstrukturen je nach Plattform erheblich. Erfolgreiches Pricing erfordert daher mehr als reine Algorithmik – es braucht ein intelligentes Zusammenspiel aus Daten, Marktverständnis und strategischer Steuerung. Genau hier stoßen bestandsführende Systeme an ihre Grenzen.
Die Preisintelligenz der Zukunft: Ökonomisch. Dynamisch. Kontextbasiert.
Wer Multichannel-Strategien ernsthaft verfolgen will, benötigt mehr als nur Automatisierung. Die Zukunft der Preisgestaltung liegt in Systemen, die:
- Erlösminderungen und Grenzkosten aktiv einbeziehen
- Deckungsbeiträge kanal- und produktspezifisch absichern
- Preise nicht nur dynamisch anpassen, sondern strategisch ableiten
- Repricing mit Marktkontext, Kundenverhalten und Wettbewerbsanalysen verknüpfen
Ein rein technisches Pricing-System ohne ökonomische Intelligenz bleibt blind für die tatsächlichen Erfolgsfaktoren im Onlinehandel. Nur wenn Preisgestaltung als strategisches Instrument verstanden wird – jenseits der Logik eines bestandsführenden Systems – lässt sich nachhaltige Profitabilität erzielen.
Warum klassische Systeme am Multichannel-Pricing scheitern – und was die Buy Box damit zu tun hat
Der Erfolg auf digitalen Marktplätzen hängt maßgeblich vom richtigen Preis ab. Doch während viele Unternehmen auf dynamische Preisstrategien und Repricing setzen, wird häufig übersehen, dass Repricing allein keine Preisstrategie ist – und ohne ein fundiertes Kostenverständnis sogar zu Umsatzverlusten oder Margenerosion führen kann.
Wer auf Marktplätzen wie Amazon erfolgreich verkaufen möchte, muss Preise in Echtzeit steuern können – und dabei weit mehr berücksichtigen als nur den Wettbewerbspreis. Denn der Preis ist nicht nur Verkaufshebel, sondern zentraler Steuerungsmechanismus im Multichannel-Umfeld.
Buy Box: Hohe Sichtbarkeit – hoher Druck
Die „Buy Box“ bei Amazon ist die begehrteste Position im Listing. Nur ein Anbieter wird dort angezeigt – und wer dort steht, macht in der Regel den Großteil der Verkäufe. Entscheidend ist dabei nicht, wer verkauft, sondern zu welchem Preis. Der Name des Anbieters spielt für den Kunden meist keine Rolle.
Neben Lieferzeit, Verfügbarkeit und Händlerbewertung ist der Preis der stärkste Einflussfaktor. Daher setzen viele Händler auf automatisierte Repricing-Tools, um sich dynamisch an den Wettbewerb anzupassen. Doch diese Tools agieren häufig isoliert – ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Grundlagen wie Deckungsbeitrag, Grenzkosten oder Erlösminderungen.
Repricing ≠ professionelle Preisallokation
Repricing bezeichnet die technische Fähigkeit, Preise automatisiert anhand definierter Regeln zu verändern – meist, um einen minimalen Abstand zum günstigsten Wettbewerber einzuhalten. Das kann im Einzelfall funktionieren, verfehlt jedoch in komplexen Multichannel-Strukturen das strategische Ziel:
- Repricing ignoriert häufig Margenanforderungen
- Repricing fördert Preisverfall und Kanibalisierung
- Repricing reagiert, statt zu steuern
Professionelle dynamische Preisallokation dagegen ist eingebettet in ein übergeordnetes Preismanagement, das kanalübergreifend, produktspezifisch und unter Einbeziehung sämtlicher Grenzkosten und Erlösminderungen operiert. Hierzu gehören:
- Marktplatzprovisionen
- Transaktionskosten
- Retouren- und Stornoquoten
- Werbekosten (z. B. Sponsored Products)
- Lager-, FBA- oder Logistikkosten
- Interne Prozesskosten
- Mindestdeckungsbeiträge je Sortiment
Nur mit dieser umfassenden Kostenbasis lassen sich Preise erzeugen, die nicht nur sichtbar, sondern auch profitabel sind.
Multichannel bedeutet: Kohärente Preisstrategie statt Preiswettlauf
Viele Unternehmen steuern ihre Preise je Kanal – aber nicht kanalübergreifend. Das führt zu Preisinkonsistenzen, internen Konflikten und Kanibalisierungseffekten zwischen Marktplatz, Online-Shop und stationärem Handel.
Beispiel: Ein Repricing-Tool senkt den Preis auf Amazon automatisch, um die Buy Box zu gewinnen. Gleichzeitig bleibt der Preis im eigenen Online-Shop unverändert – oder sogar höher. Ergebnis: Der Kunde wählt Amazon, die Marge schrumpft, der eigene Shop verliert Traffic.
Was fehlt, ist eine zentrale Instanz, die alle Preisentscheidungen kanalübergreifend steuert und bewertet – auf Basis eines Gesamtkostenverfahrens, das Transparenz über alle relevanten Einflussfaktoren schafft.
Preisstrategie ist keine rein technische Disziplin
Eine intelligente Preisstrategie unterscheidet sich fundamental vom bloßen Einsatz technischer Tools. Sie integriert:
- Wirtschaftliche Zielgrößen wie Gewinnmarge, Rohertrag, Sortimentsbeitrag
- Marktspezifische Bedingungen wie Nachfrageelastizität, Kundensegment, Saisonalität
- Kanalbesonderheiten wie Reichweite, Gebührenstruktur, Zielgruppenwahrnehmung
Nur wenn Pricing als strategische Funktion verstanden wird – und nicht als reaktive Preisautomatisierung –, lassen sich Preisposition, Marge und Markenwert gleichzeitig sichern.
Fazit: Repricing ist Mittel, nicht Lösung – Preisintelligenz ist Strategie
Ein rein technisches Pricing ohne Verständnis für Kosten, Erlösrisiken und Marktmechanismen gefährdet die Rentabilität und verzerrt den Preisausdruck über Kanäle hinweg.
Was es braucht, ist eine Preisstrategie, die kanalübergreifend konsistent bleibt, Grenzkosten kennt, Erlösminderungen einbezieht und bewusst entscheidet, wann eine Buy Box sinnvoll ist – und wann nicht.
Denn nicht jedes Produkt muss überall zum niedrigsten Preis angeboten werden. Entscheidend ist, dass jedes Angebot auf jedem Kanal die wirtschaftliche Mindestanforderung erfüllt – und dabei dem übergeordneten Ziel dient: nachhaltige Profitabilität im Multichannel.